Tongariro Alpine Crossing

Kathis erste Wildnis Camping- und gleichzeitig meine erste, zu zweit im Auto-Nacht, findet gleich am Rand des Tongariro Nationalparks statt. In einem ¨kostenlosen¨ Campingground, mit WC und Spülbereich. Zeit sich etwas Essen für morgen vorzukochen, bleibt da natürlich auch. Wie immer frisch nach dem Einkaufen, fällt das Abendmahl groß, mit Salat und allem drum und dran aus, so liebe ich das. Die Nacht ist sehr kalt und verheißt nichts gutes. Wie startet man einen Trail wenn man morgens total durchgefroren aus dem Auto schlüpft und auf dem Weg nicht mal ein Café wartet. Mit riesiger Vorfreude, denn dieser Tongariro Alpine Crossing ist schon etwas sehr besonderes.   

Diese legendäre Route wird oft als Neuseelands schönste Tageswanderung gepriesen und jährlich von 60.000 - 70.000 Trekkern absolviert. Wie geil ist es, nachdem uns das Shuttle zum Startpunkt bringt, dem Mangatepopo Rd. Parpklatz, sind auch wir ein Teil davon. Was für ein Gefühl, veranschlagt mit 5,5 - 7 Stunden, sind bei der 19,4 km langen Wanderung über 1000 Höhenmeter zu besiegen. Heißt, dies ist eine Hochgebirgswanderung, die jedem den entsprechenden Respekt abnötigt. Hier ist es am besten, das richtige Schuhwerk, die richtige Hose und obenherum, Zwiebellook inkl. Regenschutz zu tragen. Unterwegs werden ganz sicher einige Verrückte, mit viel weniger oder sogar kurzer Hose, anzutreffen sein. Dazu gehört auch der passende Daypack mit ausreichend Wasser, Verpflegung, Kamera, Mütze und Handschuhe. Letztere hatte ich nicht dabei und werde es noch zu bereuen wissen.

 Am Anfang startet jeder frohen Mutes und schnellen Schrittes. Doch die Spreu wird sich vom Weizen, spätestens an der ersten Steigung trennen. Viel Falsch machen kann man nicht, der Weg ist gut angelegt, mit orangefarbenen Spitzen der Markierungspfähle, perfekt ausgeschildert. Es geht Richtung Soda Springs (1350 Meter), nach 20 Minuten auf dem Weg, wartet schon die 1. Hütte (Mangatepopo Hut), die wir aber links liegen lassen. Noch ist die Landschaft grün, mit vereinzelten schwarzen Vulkangesteinen. Die Soda Springs, ein kleiner Wasserfall, sind schön von erstem Pulverschnee umgeben.

Ab hier wird es karg, steinig, düster und steil. Gestern schon die Landschaft, doch heute fühlt es sich wirklich so an, wir laufen durch ¨Mordor¨. Nach 1,5 Stunden, war das bisher sehr einfach. Ein Warnschild am Beginn des Treppen Aufstieg hoch zum South Crater (1650 Meter), fragt nochmal nach, ob man auch wirklich fit genug ist, für die nächsten 3 Stunden. Ich fühle mich gut vorbereitet. Die erste Mühe ist es schon mal Wert gewesen, den oben angekommen sehe ich ihn, kegelförmig, riesig - Mt. Ngauruhohe, der Schicksalsberg (Mt. Doom 2287 Meter - selbst die Neuseeländer bezeichnen ihn so), irgendwie passt der Name sehr gut.

Der erste Weg umringt von dem South Crater, ist noch normal, doch wird auch immer weißer. Sieht sogar fast schon hübsch aus. Kurze Zeit später, weitere Treppenstufen und fast auf allen vieren kriechend, ist der Boden eiskalt, die Oberfläche lose und mit Schnee bedeckt.

Der Wind pfeift mit mindestens 50 - 65 km/h einem um die Ohren. Ein Abstecher zum Vulkan, Mt. Tongariro und es geht steil weiter zum Red Crater (1886 Meter).

Spätestens jetzt muss man seine Antwort, auf die Warnschild-Frage nochmal überdenken. Bin ich wirklich fit hierfür. Der Wind 65 - 80 km/h pfeift hier so wild, das man es kaum hinauf, geschweige denn über den höchsten Punkt der Wanderung schafft. Dazu frieren, auch dank vieler Fotos unterwegs, meine Finger mittlerweile so sehr, das sie schon ganz angeschwollen und kaum noch zu bewegen sind. Spätestens jetzt weiß ich, für was die Handschuhe gut gewesen wären.

Der Ausblick entschädigt dann für jede Mühe und irgendwie lassen sich die Finger doch darauf ein, mit einem Foto der Emerald Lakes diesen Moment festzuhalten.

Eine Mischung aus Eis, Schnee und Vulkangestein, macht den Abstieg sehr rutschig sowie mühsam. Also jetzt braucht man ganz sicher nicht mehr umdrehen, denn keine 10 Pferde bringen mich nochmal über den Red Crater. Noch nicht mal die Hälfte der Strecke ist bis hierhin zurückgelegt. Puh. Der letzte Anstieg bringt uns entlang des Central Lake dann zum Blue Lake (1750 Meter).

Endlich fangen auch die Finger hier wieder etwas an sich zu bewegen. Die Landschaft wird wieder grüner und der Weg schlängelt sich mühsam hinunter ins Tal. An einigen Bergspitzen dampft es aber auch verdächtig, wie verrückt über aktives Vulkangebiet zu laufen. Der Geruch erinnert einen wieder an Rotorua. Doch ab hier bekommt man das grinsen dann fast gar nicht mehr aus dem Gesicht.

Die ein- oder andere Zwiebel Schicht wird dazu entledigt. Wie freue ich mich auf die letzte Hütte (Ketetahi Hut) um endlich das vorgekochte Essen zu genießen, sich endgültig aufzuwärmen. Doch leider, ist die Hütte aufgrund des letzten Vulkanausbruchs 2012, immer noch unzugänglich. Dazu pfeift hier der Wind auch wieder etwas mehr. Der Proviant wird trotzdem komplett verputzt.

Nochmal 1 Stunde und wir haben es geschafft. Mittlerweile sind wir im Sommer angekommen und laufen im T-Shirt, schnurstracks durch einen Regenwald. Bis man endlich aus ihm hinaustritt auf den Ketetahi Parkplatz und am Ende ist. Jedem ist die Anstrengung ganz klar im Gesicht anzusehen, doch der Stolz und das Gefühl erfolgreich das Tongariro Alpine Crossing abgeschlossen zu haben ebenso.

Was für ein Moment in meinem Leben. Fast fühle ich mich wie nach meinem ersten Marathon. Nicht wissend ob man jetzt weinen oder lachen soll. Ich bin auch stolz auf Kathi und wir beglückwünschen uns gegenseitig zur erfolgreichen Teilnahme. Denn mit 20 min. Pause haben wir den ganzen Weg in den minimal veranschlagten 5,5 Stunden geschafft, Momente gelitten und auch genossen. Was für ein Erlebnis, durch 4 Jahreszeiten an einem Tag.

Das Tongariro Alpine Crossing ist ¨nur¨ Teil eines Great Walks, dem Northern Circuit (50 km in 2-3 Tagen) rund um den Nationalpark. Obwohl die Saison schon begonnen hat, war hier noch nicht ganz die richtige Jahreszeit dafür. Auf der Südinsel dann, werde ich mindestens einen dieser mehrtägigen Walks, aber absolvieren. Eventuell am Milford Sound.
Noch warten hier ein Küstenwalk am Cape Kidnappers und landschaftliche Höhepunkte Rund um Te Mata Peak auf mich. Nicht zu vergessen der (Herr der Ringe) Hauptstadt Wellington.