Bluebridge Ferry - Earthquake

Die letzte Nacht auf der Nordinsel, wie immer liege ich in meinem Bett, das sich im hinteren Teil meines Autos befindet. Dem ich, wie es auf Reisen in Neuseeland üblich ist, endlich auch einen Namen gegeben habe. Denn das Auto mit dem ich meine Abenteuer begehe ist für die unglaubliche Zeit hier mein Zuhause, mein Weggefährte und erster Ansprechpartner. Ich nenne ihn Rocky. Angelegt an die Kunstfigur von Silvester Stallone. Er ist schon etwas in die Jahre gekommen, hat die eine oder andere Schramme und Macke, doch meistert bzw. kämpft er sich zu allen von mir gewünschten Zielen. Egal wie schwer der Weg bisher auch sein mochte. Selbst in der Nacht wenn ich schlafe, beschützt er mich.
Erst Einmal meinten irgendwelche Spinner es lustig zu finden, sich drauf zu setzen oder anzulehnen. Deswegen denke ich mir auch erstmal gar nicht viel dabei, als Rocky dieses mal wieder beginnt zu wackeln. Schließlich stehe ich im Hinterhof vom Hostel, der auch zugleich Raucherbereich ist. Irgendwelche Rabauken machen sich wieder einen Spaß. Raus aus dem Schlafsack und dem Auto, dann kann ich mich auf einen Schlag nur noch Schwer festhalten. Das ganze Auto wackelt und alles bebt wie verrückt. Ach du meine Güte, ich erlebe gerade ein Erdbeben.

Als ich das Bild in New Plymouth aufnahm, ahnte ich natürlich nicht, das es irgendwann angewandt werden muss.

Dann höre ich auch schon die ersten Alarmanlagen am Nebengebäude aufheulen und alles kommt wild aus dem Hostel gerannt. Das passiert also gerade wirklich. Ich habe meine Mühe, zu checken ob die Handbremse und sonst alles fest verschlossen ist, bis es dann auch schon vorbei ist. Eigentlich wird einem empfohlen, dabei drinnen im Gebäude zu bleiben und sich unter einen Tisch oder ähnlichem zu verstecken um vor herabfallenden Gegenständen geschützt zu sein. Wenn man sich dabei aber nicht sicher fühlt, dann raus auf die Straße und soweit von allen möglichen Gefahrenquellen entfernen, wie möglich. Hier stehe ich also nun, auf dem Mittelstreifen der Straße, mit all den anderen Hostel Gästen. Jeder sucht irgendjemand um sich zu unterhalten und zu fragen ob auch alles in Ordnung ist. Im Ernstfall halten also selbst die Freaks hier zusammen, auch wenn die Ersten schon wieder lustige Selfies schießen. Innerhalb kürzester Zeit gibt es dann auch gleich einige Nachbeben. Also das ist ein Erlebnis das ich mir gerne erspart hätte.
Erstmal werden natürlich Facebook und die Stadtwebseite gecheckt, auf der sich dann Links zu Seiten der Erdbeben Erfassung befinden. Das Epizentrum lag in Hanmer Springs ca. 213 km von mir entfernt und wurde hier in Wellington mit 7,5 gemessen. Was verdammt viel ist. Beim letzten großen Erdbeben 2011 das auf der Richterskala ¨nur¨ 6,9 anzeigte, wurden in Christchurch mehrere Menschen getötet und die halbe Stadt dabei zerstört. Eigentlich sind hier Erdbeben auch keine Seltenheit, bis zu 15.000 Stück werden pro Jahr aufgezeichnet. Aktuell kommt es mir so vor, als finden alle gerade nacheinander statt, 40 kleine Erdstöße von 3,6 - 4,9 sind dann innerhalb einer Stunde aufgezeichnet und auch zu spüren. Was natürlich auch ganz schön mein Datenvolumen schröpft, denn hier im Hostel habe ich kein WIFI. Aber schließlich muss sich auch über andere Mitreisende informiert werden, die sich sogar gerade an der Küste befinden. Dazu lese ich schon über erste Information und Berichterstattungen in Europa, also sollte auch daheim Bescheid gesagt werden, das hier alles in Ordnung ist. Nachdem das Erdbeben an Land stattgefunden hat, wird auch erstmal keine Tsunami Warnung herausgegeben. Die Sirenen von Feuerwehr und Polizei dröhnen durch die Stadt, doch von irgendwelchen großen Schäden ist hier ringsherum nichts auszumachen. Ist ja schließlich auch Nacht und da sieht man sowieso nicht soviel. Also begibt sich jeder wieder ins Bett.
Bis es dann um halb 2 rum, noch einmal mächtig bebt, was mir schon klar ist, das das kein normales Nachbeben hätte sein können. Eine halbe Stunde später gibt es über das Informationssystem des Handys dann eine Tsunami Warnung für die komplette Ostküste, rund um Christchurch, Kaikoura, Wellington und Napier. Moment mal Wellington, da bin ich doch :-(
Nebenher höre ich, wie empfohlen Radio und erfahre das es ein zweites unabhängiges Erdbeben gegeben hat, das mit der Stärke 6,6 angegeben wird und sich in noch näherer Entfernung direkt im Meer befunden hat. Na super. Die Wellen werden mit einer Höhe von 2 m und 3-5 m auf der Südinsel angegeben, doch die erste Hohe Welle könnte nicht die letzte sein, heißt es. Offiziell gibt es aber keinen Einschlag irgendwo. Doch Berichte über die Stadt, die es am schlimmsten erwischt hat, in Kaikoura wurde der Notstand ausgerufen, daher es sich mitten in der Nacht befindet und die Stadt erstmal von allen Wegen, Strom- und Gasversorgungen des Landes abgeschnitten ist. Am Morgen sind hier auch 2 Einheimische Tote zu betrauern.
Noch Tags zuvor, habe ich mit anderen Reisenden über meine weitere Route diskutiert, denn Kaikoura ist der Touristen Hotspot in Neuseeland schlechthin, wenn es darum geht, Delfine, unterschiedliche Wale und Seevögel zu sehen - Wie ich das in meine Reiseroute mit einfügen kann. Gut das die Option sowieso erst als Tagesausflug von Christchurch, wo mein Abflug stattfindet, dann zur Sprache kam.

Viel Schlaf finde ich natürlich dann in der Nacht nicht mehr. Denn die Nachbeben halten weiter an und irgendwie weiß ich auch noch gar nicht wie genau damit umzugehen ist. Den irgendwas gegen so eine Naturgewalt, kann man nicht tun.

Als ich dann doch irgendwann um 5 Uhr hochschrecke, wird mir klar, verdammt vielleicht fährt ja gar keine Fähre. Doch erstmal gibt es keine Informationen dazu und auch die Hotline, ist erst ab 8 Uhr erreichbar. Schön, um 7 Uhr sollte ich aber schon zum Boarding erscheinen. Also mache ich mich ganz normal fertig und packe mein Bett zusammen.
Gerade als ich starten will, erreicht mich die SMS, der Hafen ist geschlossen, die Fähren sind gecancelt. Aktuell befindet sich meine Fähre noch vor Picton und kann da nicht anlegen aufgrund der Zerstörungs Meldungen. Schöne Scheiße.
Dann heißt es halt doch Frühstücken und abwarten. Im Hostel laufen derweil erste Bilder im Fernsehen und auch in Wellington, sollen heute alle daheim bleiben, alles bleibt stehen sowie wird eingestellt. Erstmal muss bei Tageslicht die Zerstörung begutachtet werden, damit nicht noch nachträglich irgendwelche Unfälle passieren. Heißt ich stecke erstmal in Wellington fest, aber mir geht es gut.

Während die Erde immer wieder leicht bebt, schlafe ich total erschöpft dann doch irgendwo auf der Couch im Hostel ein. Nachdem ich wach werde, wurden alle Gefahrenstufen aufs Minimum heruntergestuft und die Tsunami Warnung aufgehoben. Also zurück ins Auto, Mittagsschlaf und warten ob nicht doch noch heute die Fähre fährt. Natürlich muss ich aber dazu, vorsichtshalber erstmal für eine weitere Nacht, im Hostel verlängern.
Für WIFI, wage ich mich dann Nachmittags doch in Richtung Stadt, einige Gebäude sind abgesperrt, zerbrochene Fensterteile und Gebäude Bruchstücke liegen auf der Straße, sowie jede Menge Gelb oder Orange Gekleidete Menschen laufen durch die Gegend. Bis zum Abend hin, soll sich alles wieder normalisieren und Morgen dann bis auf die Gebäude die unzugänglich sind, alles wieder seinen normalen Lauf nehmen. Business as usual - nennen Sie das im Radio.

Gleich darauf kommt auch die erlösende Nachricht auf mein Handy. Ich darf die Fähre um 20:30 Uhr nehmen und soll bitte bis 1 Stunde davor eingecheckt haben. Also wird doch noch alles Gut.

Natürlich bekomme ich mein Geld aber dann beim canceln der Unterkunft nicht sofort zurück, das muss erst der Chef entscheiden. Egal, noch paar Stunden dann bin ich auf der Südinsel.

Nochmal etwas spannend wird es dann beim Einchecken auf dem Schiff, doch eigentlich ist alles auch nicht anders als auf der Fähre nach Edinburgh oder ganz normal wie im Parkhaus. Nur das einem hier der Platz direkt zugewiesen wird und darauf geachtet, das alle Autos auch nah beieinander Reihe in Reihe stehen. Danach verbringt man wie im Flughafen oder sonstigen Wartehalle dann die 3,5 Stunden, kann nebenher Essen sowie Getränke bestellen oder schlafen. Theoretisch gibt es dazu auch Kabinen zu mieten. Aber das lohnt sich nicht wirklich. Schließlich kostet das ganze schon 173 $ (122 fürs Auto und 51 für mich).

Das war nochmal ein unvorhergesehenes Abenteuer auf der Nordinsel und hat den Blog damit länger als gewünscht ausfallen lassen. Spannend wird noch, wo ich nach Ankunft, kurz nach Mitternacht in Picton, die Nacht verbringe. Dann ist der nächste Bericht hoffentlich wieder ein schönes Landschaftserlebnis.
Leider ist es jetzt Nacht, doch das Wetter wäre sowieso zu schlecht gewesen, um auf Deck zu verbringen. Den bei der Einfahrt zur Südinsel passiere ich schon mal, ein Teil der Marlborough Sounds. Ein ausgedehntes Netzwerk an Wasserwegen und Halbinseln. Jetzt heißt es "fast" nur noch, Natur pur.